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Psst!

Psst, ich bin's.

Ich muss leise sein. Denn was ich euch zu erzählen habe, darf die Chefin auf keinen Fall wissen, sonst krieg' ich hier ein Problem - und wer weiss, wann ihr dann wieder von mir hört???
Also nix verraten, gell? Ich hab' euer Ehrenwort? Gut.

Dann mal ganz unter uns (sonst wissen nur Mama und Papa und die Miezekatze Bescheid und sie wird mich wohl nicht verpetzen):
Also, wie ihr wisst ist Emily, die hier links mit dem bösen Blick, eigentlich eine ganz arme Mieze, denn sie ist zu acht Wochen Arrest verknurrt, damit ihre Pfote nach einem Unfall heilen kann. Vier Wochen Knast hat sie schon hinter sich, und so fand ich, dass sie doch endlich wieder mal ein klein wenig Freigang haben dürfte. Zugegeben, sie war ja nie meine beste Freundin, aber in den letzten Wochen sind wir uns näher gekommen, denn nachts teilen wir uns das Schlafgemach: sie im Käfig und ich im Körbchen daneben. 
Als wir so in der Dunkelheit nebeneinander lagen, hat mir Emily ihr Leid geklagt. Es sei doch so langweilig und sie habe Nachts immer Hunger! Eine kitzekleine Maus würden ihr doch sehr munden, sie bekäme hier nur immer dieses komisch wässrige Ragout aus der Alu-Schale. Ich, der stets hungrige Rasi, der doch Katzenfutter über alles liebt, konnnte sie nicht ganz verstehen, aber ich sah' da sogleich die klassische "win-win" Situation (ihr folgt mir?): ich krieg' das Büsi-Ragout und Emily darf auf Mäusejagd. Alle profitieren! Emily fand den Vorschlag super (klar doch, der stammte ja auch von mir), und so gingen wir gleich ans Werk: ich rüttelte ein wenig am Käfig, vermochte den Zwischenraum zwischen Katzenklo und Käfig etwas verbreitern, steckte die Nase rein und kam so an das leckere Ragout. Mmh, war das ein Genuss! 

Ich zieh' den Kopf wieder raus, und durch den Zwischenraum kann sich Emily hinaus zwängen. Da wurde mir plötzlich ein wenig mulmig zumute, denn sie war nun schon viele Wochen meine Schlafgefährtin. Emily hingegen war guten Mutes: ein Sprung über ein Absperrtürchen, der Gang durch den Hunderaum direkt in den Hundeauslauf, von dort unter den Zaun durch und ab in die Freiheit! 

Für mich wurde es eine lange Nacht. Morgens kurz vor sechs hielt ich die Einsamkeit nicht mehr aus und habe Krach gemacht. Und so kam die Chefin schlaftrunken die Treppe runter und wollte mich raus schicken zum Pipi machen. Nur soweit kam sie gar nicht, denn sofort erblickte sie den leeren Käfig und wurde kreidebleich! Da ahnte ich, dass meine Idee vielleicht nicht einer meiner besten Geistesblitze war... 
Mit frühem Morgenspaziergang wurde an jenem Tag nichts, denn kaum angekleidet machte sich die Chefin alleine - ohne mich!!! - hinaus auf die Felder. Jetzt kamen auch noch Annie und Kettu und fragten, was da los sei. Ich erzählte es ihnen - und bekam Schelte! Sie erklärten mir, dass Emily mit dem Verband und ihrem Hinkebein nicht gut rennen und schon gar nicht auf Bäume flüchten könne. Und jeder harte  Landung auf dem operierten Bein könne die Arbeit des Chirurgen zunichte machen, denn die Knochen seien nach 4 Wochen noch nicht verheilt. Jetzt machte auch ich mir Sorgen!
Wie froh waren wir alle, als die Chefin nach eine halben Stunde mit Emily auf dem Arm zurück kam. Der Verband war durchnässt und musste erneuert werden, doch wenigstens Emily war heil wieder zu Hause! 


Meine Erkenntnis aus der Geschichte: ich werde mich in Zukunft nicht mehr als Fluchthelfer einspannen lassen. Mäuse hin oder her! 

 

In diesem Sinne,

Euer Rasmüsli